LICHTBRÜCKE
Praxis für seelische Heilung

2024-03-09

GESCHICHTE ÜBER KNEIPE

GESCHICHTE ÜBER KNEIPE

Es war einmal eine wunderschöne Frau. Sie hatte schwarze Haare, tiefschwarzen Augen, wunderschönen dunklen Teint. Die Frau war taubstumm, konnte weder lesen noch schreiben, sie war nicht verheiratet und sie hatte nie in ihrem Leben eine Periode. Und sie war schwanger. Im 6 Monat wurde dieser biologisch unmöglicher Fakt bei ihr festgestellt. Nach der Geburt des Mädchens fragte man sich: Was jetzt? Die Zeit verging.

In dem alten Haus in der Stadtmitte, wo wir gewohnt haben, war unten eine Kneipe. Kein schöner Blick. Die Männer pinkelten neben der Treppe oder hinter der Tür zum Hof. Oder schliefen im Keller. Jahrelang gehörten diese Männer zum Bild des Hauses. Und zu meiner Kindheit. Einmal, als die Tür zu diese Kneipe geöffnet wurde, schaute ich unerwartet rein. Es war dunkel, es stank nach Zigaretten und Alkohol. Mein betrunkener Vater saß an der Bar.

Was hat das mit mir gemacht? Wie hat sich das in meinem Leben gezeigt?

Meinem Vater, der Alkoholiker war, in der Kneipe zu sehen, war für mich einer von den schlimmsten Blicken in meinem Leben. Ich weiß jetzt nicht mehr, wie ich damals reagiert habe. Ich war wie versteinert.

Als Kind, das in einer dysfunktionalen Familie wuchs, kämpfte ich um überleben, hatte oft Angst, war nie richtig ein Kind, ich habe mich um meine Mutter gekümmert. Schon damals war ich viel zu ernst und wusste nicht was Freude ist, war sehr kritisch zu mir selbst, hatte nicht gelernt die Sachen von Anfang bis zum Ende zu bringen. Als ich älter wurde, war es schwierig für mich in neuen Situation oder Orten mich zu finden. Und hatte immer Angst, dass mein Partner, wie mein Vater, zu viel trinken wird. Als Erwachsene arbeitete ich in Warschau in PARPA, in einer Staatlicher Agentur für Prävention Gegen Alkohol und machte eine Therapie für DDA - Erwachsene Kinder von Alkoholikern.

Alkohol war für mich ein Zerstörer. Er hat meinen Vater, unsere Familie und meine Kindheit zerstört. Das, was ich mich am meisten an meinem Vater erinnern konnte, waren Momente, wo er betrunken war, auf dem Boden oder auf dem Bett lag, das Geld für sein Trinken stahl, auf dem Boden kotzte oder meine Mutter schlug. Ich habe erlebt, was Abhängigkeit von Alkohol aus einem Menschen und seinem Umfeld macht. Für mich, als Kind, war es richtig schwer ein gutes Bild von meinem Vater zu haben. Lebenslang ist er an den Straßen an mir vorbei gegangen und er hat mich nie angeschaut. Er hat mich nie gesehen. Und ich habe gelitten. Ich war nur ein Kind…

Als ich eines Tages, mit fast 36 Jahren, erfahren hatte, dass mein Vater verstorben ist, weinte ich bitterlich. Mir wurde bewusst, dass ich ihn lieben wollte, so wie ein Kind es eben möchte.

Was macht das mit mir JETZT?

Jetzt weiß ich mehr. Ich weiß, er konnte nicht anders. Als er 7 Jahre alt war, war der zweite Weltkrieg vorbei. Er hatte gerade seine Mutter verloren. Sein Vater lebte auch nicht mehr. Er war allein mit seiner Schwester.

Mein Vater konnte nicht lieben, besonders sich selbst. Er versuchte die Schmerzen im Alkohol zu versinken. Als ich zu Welt kam, blieb sein Herz verschlossen.

Auf einer Familienaufstellung konnte ich meinen Vater wahrnehmen, ihn verstehen, ihn vergeben und mich mit ihm versöhnen. Er hat einen Platz in meinem Herzen. Ich liebe ihn so, wie ich es kann. Ich bin ihn dankbar, für diese Lebenslektionen. Sie waren schwer und schmerzhaft und sie machten mich zu den Menschen, der ich bin. Ich habe an Kraft, Mut und Selbstliebe gewonnen. Durch Bewusstsein lernte ich meinen Vater mit liebevollen Augen zu sehen: ich sehe den kleinen verlorenen Jungen, der selbst nicht weißt, wie er überleben soll. Er war selbst ein verletztes und verlassenes Kind gewesen.

Ich trinke keinen Alkohol. Um die Sterne am Himmel zu sehen, die Blumen zu bewundern oder ganz einfach fröhlich zu sein, brauche ich keine Substanzen, die das Bewusstsein verändern. Ich fühle mich frei. Mit Dankbarkeit und Frieden denke ich an das, was hinter mir liegt und wo ich heute bin. Aus den Stolpersteinen wurde ein Weg …
6.03.2024, 17.27

Ajna - 00:30:33 | 1 Kommentar





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